Aufdeckung der meiotischen Achsenbildung und Rekombinationskontrolle in Braunalgen

Forschungsbericht (importiert) 2024 - Max-Planck-Institut für Biologie Tübingen

Autoren
Kane, Emma I.; Trefs, Lioba S.; Eckert, Lena; Coelho, Susana M.; Weir, John R.
Abteilungen
Forschungsgruppe Strukturelle Biochemie der Meiose
Zusammenfassung
Die meiotische Rekombination sichert genetische Vielfalt. Braunalgen, wichtige Meeresorganismen mit sexuellen und asexuellen Zyklen, stellen hierzu einen geeigneten Forschungsgegenstand dar. In der Braunalge Ectocarpus untersuchten wir zwei Faktoren, ecHOP1 und ecRED1, die eine DNA-Bindung zeigten, und zwei ecHOP1-Isoformen wiesen eine flexible Rekombinationskontrolle auf. Vergleiche mit Hefezellen und Säugetieren offenbaren einzigartige evolutionäre Strategien. Diese Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig wenig erforschte Taxa für das Verständnis meiotischer Prozesse sind.

Einleitung

Was macht uns einzigartig? Unsere genetische Identität ist eine Kombination der Gene unserer Eltern, und doch unterscheiden wir uns von ihnen und auch von unseren Geschwistern. Warum ist das so? Die Antwort liegt in der Art und Weise, wie das elterliche Genom während der Bildung von Ei- und Samenzellen neu angeordnet wird – ein Prozess, der als meiotische Rekombination bezeichnet wird. Diese Rekombination ist für unsere genetische Individualität und die Vielfalt des Lebens auf der Erde von zentraler Bedeutung.

Meiotische Rekombination und Achsenstruktur

Während der Meiose werden Chromosomen entlang einer Proteinstruktur, der „meiotischen Achse“, organisiert (Abb. 1A). Diese Achse und ihre Proteine steuern alle Aspekte der Rekombination. Zuerst entstehen gezielte DNA-Brüche an bestimmten Genomstellen, erzeugt von Proteinen, die nur an günstigen Regionen binden. Anschließend muss die Rekombination zwischen den richtigen Chromosomenpartnern erfolgen und die Anzahl sowie Verteilung der Rekombinationsereignisse exakt kontrolliert werden.

Braunalgen als kaum erforschtes Modell

Bisher wurden Proteine der meiotischen Achse vor allem bei Säugetieren, Nematoden und Hefe untersucht. Große Teile des Lebensbaumes aber, darunter die Braunalgen, blieben unerforscht. Braunalgen, auch Seetang genannt, sind für marine Ökosysteme und den globalen Kohlenstoffkreislauf entscheidend. Sie durchlaufen sowohl sexuelle Fortpflanzung mittels Meiose als auch asexuelle Vermehrungsphasen, zum Beispiel Jungfernzeugung (Abb. 1B). Dadurch bieten sie ein vielfältiges Modell, um meiotische Prozesse in unterschiedlichen Lebenszyklen zu verstehen. Aktuelle Studien haben potenzielle meiotische Achsenproteine im Braunalgen-Modellorganismus Ectocarpus siliculosus identifiziert.

ecHOP1 und ecRED1: Struktur und Funktion

Wir untersuchten zwei Proteine aus Ectocarpus: ecHOP1 und ecRED1. Diese ähneln bekannten meiotischen Achsenfaktoren anderer Arten. Mit dem Strukturvorhersage-Tool AlphaFold2 erhielten wir verlässliche Modelle der Proteine. Dabei zeigte sich, dass ecHOP1 über eine DNA-Bindungsregion verfügt, wodurch wir ein genaues Modell von ecHOP1-DNA-Komplexen erstellen konnten [1].

Closure-Motive: Vorhersagen und Validierung

Um die Interaktion von ecHOP1 mit ecRED1 zu verstehen, analysierten wir sogenannte Closure-Motive. AlphaFold2 sagte sechs potenzielle Closure-Motive in ecRED1 voraus. Im Labor testeten wir alle sechs, doch nur eines band tatsächlich an ecHOP1. Dies zeigt die Bedeutung experimenteller Validierung von computergestützten Vorhersagen.

In anderen Organismen besitzen HOP1-ähnliche Proteine oft eigene Closure-Motive, um sich selbst zu binden. Durch Genom- und Transkriptomanalysen fanden wir in Ectocarpus zwei ecHOP1-Isoformen: Isoform1 mit zwei Closure-Motiven und Isoform2 ohne solche Motive. Isoform1 könnte daher weitere ecHOP1-Moleküle an die Achse rekrutieren und so den Rekombinationsapparat beeinflussen.

Vergleich mit anderen Organismen

Nach der Charakterisierung der Braunalgen-Achsenproteine verglichen wir diese mit bekannten Systemen (Abb. 2). In der Hefe Saccharomyces cerevisiae ähnelt der grundsätzliche Aufbau, jedoch bindet Hop1 dort an Nukleosomen statt an Doppelstrang-DNA, und Hop1 sowie Red1 besitzen jeweils nur ein Closure-Motiv. Bei Säugetieren gibt es zwei ecHOP1-ähnliche Proteine, HORMAD1 und HORMAD2, ohne DNA-Bindungsdomäne und mit jeweils nur einem Closure-Motiv, ergänzt durch ein Closure-Motiv in SYCP2, dem ecRED1-Analogon. Mehrere Closure-Motive sind nur bei dem Nematoden Caenorhabditis elegans bekannt, der vier Achsenproteine nutzt.

Funktionelle Bedeutung und Ausblick

Unsere Ergebnisse zeigen, dass Ectocarpus viele grundlegende Prinzipien des meiotischen Achsenaufbaus mit anderen Arten teilt, aber auch einzigartige Merkmale aufweist. Wir vermuten, dass die Kombination mehrerer Closure-Motive mit zwei ecHOP1-Isoformen eine flexible Architektur der Achse ermöglicht. Dies könnte wichtig sein, da ecHOP1-ähnliche Proteine den für die Rekombination entscheidenden Faktor SPO11 rekrutieren, vermittelt über Mer2 in Hefe oder IHO1 bei Säugetieren [2, 3].

Wir gehen davon aus, dass Ectocarpus die Häufigkeit der meiotischen Rekombination in bestimmten Genombereichen feinjustiert, indem die Alge die ecHOP1-Dichte an der Achse variiert. Hefe entfernt beispielsweise Hop1 gezielt aus bestimmten Regionen, um dort Rekombination zu unterdrücken [4]. Ectocarpus aber könnte umgekehrt die Zahl der ecHOP1-Bindungsstellen erhöhen, entweder über die zwei Closure-Motive in ecHOP1-Isoform1 oder durch Aktivierung zusätzlicher, von AlphaFold2 vorhergesagter Motive in ecRED1, die bisher nicht experimentell bestätigt wurden. Damit könnte Ectocarpus die meiotische Rekombination feiner steuern, als bislang angenommen, und unser Verständnis dieses grundlegenden biologischen Prozesses vertiefen.

Literaturhinweise

Kane, E. I.; Trefs, L. S.; Eckert, E.; Coelho, S. M.; Weir, J. R. 
Exploring Meiosis in Brown Algae: Meiotic Axis Proteins in the Model Brown Alga Ectocarpus
bioRxiv 2024, 629156. EMBO Reports, in press (2025)
Rousova, D.; Nivsarkar, V.; Altmannova, V.; Raina, V. B.; Funk, S. K.; Liedtke, D.; Janning, P.; Müller, F.; Reichle, H.; Vader, G.; Weir, J.R. 
Novel Mechanistic Insights into the Role of Mer2 as the Keystone of Meiotic DNA Break Formation
eLife 2021, 72330 (2021)
Dereli, I.; Telychko, V.; Papanikos, F.; Raveendran, K.; Xu, J.; Boekhout, M.; Stanzione, M.; Neuditschko, B.; Imjeti, N.S.; Selezneva, E.; Tuncay, H.; Demir, S.; Giannattasio, T.; Gentzel, M.; Bondarieva, A.; Stevense, M.; Barchi, M.; Schnittger, A.; Weir, J.R.; Herzog, F.; Keeney, S.; Toth, A.
Seeding the Meiotic DNA Break Machinery and Initiating Recombination on Chromosome Axes
Nature Communications 15, 2941 (2024)
Vader, G.; Blitzblau, H. G.; Tame, M. A.; Falk, J. E.; Curtin, L.; Hochwagen, A. 
Protection of Repetitive DNA Borders from Self-Induced Meiotic Instability
Nature  477, 115–119 (2011)
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