Wie natürliche genetische Variation neue biologische Prinzipien erhellt
Forschungsbericht (importiert) 2024 - Max-Planck-Institut für Biologie Tübingen
Hintergrund
Ähnlich wie Tiere und Menschen müssen sich auch Pflanzen permanent gegen Krankheitserreger verteidigen. Es besteht dadurch immer auch die Gefahr einer unangemessenen Aktivierung von Immunreaktionen, die zu Kollateralschäden an der Pflanze selbst führen. Besonders wirksame Immungene ermöglichen es einer Pflanze, schnell auf den Befall durch Krankheitserreger zu reagieren, aber solche Varianten können auch potenziell schädlich sein. Die Untersuchung natürlicher genetischer Variation im Immunsystem von Arabidopsis thaliana hat ACCELERATED CELL DEATH 6 (ACD6) als einen Verknüpfungspunkt zwischen Wachstum und Krankheitsresistenz identifiziert. ACD6 ist ein positiver Regulator des Zelltods und anderer Abwehrreaktionen, und im Labor induzierte Mutationen können zu einer konstitutiv erhöhten Abwehr führen. Ähnlich wie diese Mutationen kann die natürlich vorkommende hyperaktive ACD6-Est-Variante Pflanzen vor einer Vielzahl von Krankheitserregern schützen. Gleichzeitig führt sie jedoch häufig zu einer erheblichen Wachstumsbeeinträchtigung in Form von verringerter Statur und Zelltod in Blättern. Dasselbe gilt für natürliche Varianten, die, wenn kombiniert in hybriden Nachkommen, zu ausgedehntem Zelltod und Autoimmunität führen.
ACD6 kodiert für ein Transmembranprotein, und ACD6-Oligomere reichern sich an der Plasmamembran als Reaktion auf Salicylsäure (SA) an, ein wichtiges Immunhormon in Pflanzen. In einer kürzlich veröffentlichten Arbeit haben wir, ausgehend von der Analyse natürlicher Modifikatoren der Aktivität des natürlich vorkommenden ACD6-Est Allels, eine neue Genfamilie identifiziert, die für zwei kleine Proteine kodiert, MODIFIER OF HYPERACTIVE ACD6 1 (MHA1) und sein Paralog MHA1-LIKE (MHA1L), die beide die ACD6-Aktivität auf komplexe Weise beeinflussen.
Ähnlichkeiten zwischen ACD6 und Ionenkanälen von Pilzen und Tieren
Wir haben herausgefunden, dass MHA1 und MHA1L die Ionenkanalaktivität des ACD6-Transmembranproteins steuern, indem sie an ACD6 binden [2]. Die Architektur von ACD6 ähnelt der von Transient-Rezeptor-Potential-(TRP)-Ionenkanälen von Tieren und Pilzen. Obwohl sich die Transmembrandomänen von ACD6 und TRP-Kanälen unterscheiden und es daher unwahrscheinlich ist, dass ACD6 und seine pflanzlichen Homologe auf genau dieselbe Weise funktionieren wie TRP-Proteine, lieferte das umfassende Wissen über die Struktur-Funktions-Beziehungen von TRPs zahlreiche Hinweise zum möglichen Verständnis der Wirkung von ACD6 und seinen kleinen Peptidregulatoren.
Funktionsverstärkende Mutationen in TRP-Genen, die zu veränderter Ionenkanalaktivität führen, sind häufige Ursachen für genetisch bedingte Krankheiten beim Menschen. ACD6 selbst wurde ursprünglich auf der Grundlage einer experimentell induzierten hyperaktiven Variante entdeckt. Die hochaktive natürliche Variante ACD6-Est wurde erst anschließend in natürlichen Populationen von A. thaliana, wo sie häufig vorkommt, gefunden. Außerdem erhält man, wenn man bestimmte Stämme von A. thaliana miteinander kreuzt, Pflanzen mit stark erhöhter ACD6 Aktivität [3].
Diese induzierten und natürlich vorkommenden ACD6 Varianten haben gemeinsam, dass sich die für die erhöhte Aktivität verantwortlichen Sequenzen im Transmembranbereich befinden, was wiederum an TRP-Kanal-Mutanten mit erhöhter Aktivität erinnert. Eine weitere Gemeinsamkeit besteht darin, dass TRP-Kanäle Signale integrieren können, die aus verschiedenen Reizen oder Liganden bestehen. Die entgegengesetzten Effekte von MHA1 und MHA1L auf die ACD6-Aktivität erinnern ebenso an die gegensätzlichen Effekte verschiedener Liganden auf die Aktivität von TRP-Kanälen (Abb. 1). Die genaue Rolle von MHA1 bei der Regulierung von ACD6 bleibt etwas rätselhaft, da die deutlichsten Effekte von einer natürlichen Variante ausgehen, die die Aktivität der hyperaktiven ACD6-Est Variante dämpft. Es ist denkbar, dass MHA1 in erster Linie ein Regulator eines anderen Proteins ist, das mit ACD6 verwandt ist. Die Genome von A. thaliana Stämmen kodieren für etwa ein halbes Dutzend Proteine, die ACD6 sehr ähnlich sind. Redundanz zwischen diesen Proteinen könnte auch erklären, warum die Inaktivierung von ACD6 im Vergleich zu den ausgeprägten Auswirkungen, die sich aus der ACD6-Hyperaktivität oder der experimentell induzierten Überakkumulation von MHA1L ergeben, relativ geringe Folgen hat. Andererseits scheinen die Auswirkungen von zu hohen MHA1L Mengen vollständig von ACD6 abzuhängen, was auf eine exklusive Beziehung zwischen MHA1L und ACD6 hindeutet.Pathogeninfektion akkumuliert.

Aussichten
Calcium ist ein gut bekannter sekundärer Botenstoff in der Pflanzenimmunität, und ACD6 stimuliert den Einstrom von Calciumionen in die Zelle. Unsere Entdeckung der MHA1/MHA1L-Peptidfamilie stärkt die These, dass ACD6 ein dynamischer Immunregulator ist, der mit dem Calciumeinstrom in Verbindung steht, da MHA1L durch Pathogeninfektion induziert wird. Unsere Ergebnisse haben somit eine komplexe Reihe von Beziehungen zwischen verschiedenen Varianten und Familienmitgliedern im ACD6/MHA1/MHA1L-System aufgedeckt. Unsere Ergebnisse zeigen somit, wie Varianten, die im Laufe der Evolution selektiert wurden und die im Labor wahrscheinlich nie zu finden sind, neue Erkenntnisse über grundlegende Aspekte der Biologie liefern können.