Krankheitserreger teilen Gene
Das in der Landwirtschaft weit verbreitete Bakterium Pseudomonas syringae erhält durch mobile genetische Elemente neue Fähigkeiten
Bakterielle Krankheitserreger können schnell Antibiotikaresistenzen entwickeln, indem sie Gene von anderen Bakterien aus der Umwelt übernehmen. Dies gilt für menschliche und pflanzliche Krankheitserreger, die häufig durch den Einsatz antimikrobieller Substanzen, wie z.B. Kupfer, bekämpft werden. Die in der Fachzeitschrift PNAS veröffentlichten Forschungsergebnisse zeigen, wie der in der Landwirtschaft weit verbreitete Krankheitserreger Pseudomonas syringae durch mobile genetische Elemente, so genannte „Integrative und Konjugative Elemente“ oder ICEs, rasch neue Fähigkeiten erwirbt. Eine neu definierte Familie von ICEs ist für die Verbreitung von Kupferresistenz- und Virulenzgenen selbst bei entfernt verwandten P. syringae-Stämmen verantwortlich. Forscherinnen und Forscher der Max-Planck-Institute für Biologie in Tübingen und für Evolutionsbiologie in Plön der vorliegenden Veröffentlichung haben herausgefunden, dass bakterielle Krankheitserreger durch das zusätzliche genetische Material, das durch diese mobilen Elemente eingeführt wird, auf bestimmten Stoffen wachsen und sich schnell an veränderte Bedingungen anpassen können. Dies wiederum kann die Fähigkeit des Pathogens beeinflussen, Pflanzen zu infizieren und in der jeweiligen Umgebung zu überleben. Diese Entdeckung zeigt, wie Krankheitserreger durch den ICE-vermittelten Genaustausch einen neuen Vorteil erlangen.
Ein Ausbruch einer Kiwi-Krebskrankheit von zerstörerischem Ausmaß bedroht seit 2010 die weltweite Obstindustrie und die fragilen lokalen Volkswirtschaften. Der Ausbruch betrifft weiterhin Kiwi-Anbauregionen in Europa, Asien, Australien und Chile. Ausgelöst wurde diese Pandemie durch den bakteriellen Erreger Pseudomonas syringae, einen häufigen Verursacher landwirtschaftlicher Pflanzenkrankheiten.
P. syringae kann als Epiphyt auf der Pflanzenoberfläche leben. Um eine Krankheit zu verursachen, dringt er über Wunden oder natürliche Öffnungen wie Spaltöffnungen in die Pflanze ein. Der Erreger schmarotzt das Wasser und die Nährstoffe im Pflanzengewebe, vermehrt sich schnell und führt schließlich zum Tod des Wirtes. Trotz der zahlreichen Abwehrmechanismen, die Pflanzen entwickelt haben, um das Eindringen von Krankheitserregern zu verhindern, waren die jüngsten Krankheitsausbrüche in landwirtschaftlichen Kulturen besonders zerstörerisch und stellten eine Herausforderung für eine wirksame Bekämpfung dar. Das Auftauchen eines neuen, aggressiven Stammes, bekannt als Psa, ist ein solches Beispiel.
Cargogene wandern per Anhalter mit Hilfe von mobilen genetischen Elementen innerhalb von Bakterien
„Integrative und konjugative Elemente“, kurz ICE, können in Bakterien schnell neue Funktionen einführen. Sie können innerhalb von Minuten von einer Bakterienzelle zur nächsten wandern. Der Pool der in P. syringae identifizierten ICEs besteht aus mindestens 53 verschiedenen ICEs. Jedes ICE trägt einen Satz von Kerngenen, die für die ICE-Bewegung verantwortlich sind, und verschiedene Sätze von akzessorischen Cargogenen. Diese verschlüsseln Funktionen, die die Fähigkeit des Bakteriums zum Überleben und Wachsen in verschiedenen Umgebungen verändern können. Bei humanen Krankheitserregern kodieren diese Cargogene häufig Resistenzen gegen Antibiotika, die oftmals in Krankenhäusern eingesetzt werden. Ähnlich wie ICEs in menschlichen Krankheitserregern haben ICEs in P. syringae antimikrobielle Resistenzgene und Cargogene, deren Funktion nicht sofort ersichtlich ist.
„Wir wussten bereits, dass sich ICEs schnell zwischen Stämmen bewegen und dass verschiedene ICEs unter dem Pandemieerreger Psa zirkulierten“, erklärt Dr. Honour McCann, Forschungsgruppenleiterin für die Evolution von Pflanzenpathogenen am Max-Planck-Institut für Biologie in Tübingen. „Was uns überrascht hat, ist die Tatsache, dass eine bestimmte Gruppe von Cargogenen, die mit dem Stoffwechsel verbunden sind, vor kurzem in ICEs eingedrungen zu sein scheint und deren Mobilität ausnutzt, um sich über Psa und viele andere schädliche P. syringae-Stämme zu verbreiten. Dieser unerwartete Befund deutet darauf hin, dass diese Region zu der Fähigkeit von P. syringae beitragen könnte, in verschiedenen Wirten und Umgebungen zu wachsen.“
Entschlüsselung der Mechanismen, durch die mobile Elemente den bakteriellen Stoffwechsel umprogrammieren
Dr. Elena Colombi von der Universität Melbourne und ein Forschungsteam wollten verstehen, was diese neue „Ladung“, genannt Tn6212, bewirkt. Dazu untersuchten sie mit Hilfe von Sequenzanalyse, Genetik und Messung von Veränderungen der Genexpression, wie Tn6212 das bakterielle Wachstum beeinflusst. Dr. Colombi erzeugte mehrere sog. „Gen-Knockouts“ oder Deletionen in Tn6212 und fand heraus, dass einige davon für das Bakterienwachstum unter nährstoffarmen Bedingungen entscheidend sind. Bemerkenswerterweise beeinträchtigte das Fehlen der Cargogene die Fähigkeit des Bakteriums, gut auf Stoffen zu wachsen, die in Pflanzengewebe reichlich vorhanden sind. Das Team fand dann heraus, dass die Tn6212-Cargogene große Auswirkungen auf die bakterielle Genexpression haben und wahrscheinlich den bakteriellen Stoffwechsel umprogrammieren, um vorhandene Nährstoffe auszunutzen um schneller zu wachsen. Die Fähigkeit von Tn6212, den Stoffwechsel zu manipulieren, hilft dem Erreger, seine bevorzugten Energiequellen in einer bestimmten Umgebung, z. B. in Pflanzengewebe, schnell zu nutzen. Diese Geschwindigkeit könnte es schädlichen Pathogenen wie Psa ermöglichen, zu wachsen und sich effektiver auszubreiten.
Künftige Forschungsarbeiten werden den Zusammenhang zwischen der Manipulation des bakteriellen Stoffwechsels durch die ICE-Cargogene, den Auswirkungen dieser Manipulation auf den Erfolg bakterieller Pathogene bei Pflanzeninfektionen und der Ausbreitung mobiler Elemente in bakteriellen Populationen genauer untersuchen. Das Verständnis der Dynamik der Bewegung mobiler genetischer Elemente und dem Transport von Frachtgenen liefert entscheidende Erkenntnisse darüber, wie sich bakterielle Krankheitserreger entwickeln und trägt zur Weiterentwicklung gezielter Bekämpfungsstrategien bei. Die Erkenntnis darüber, wie schnell sich Krankheitserreger anpassen und mit Pflanzen interagieren, ist für die Entwicklung nachhaltiger landwirtschaftlicher Verfahren, die Widerstandsfähigkeit von Nutzpflanzen und die Sicherung unserer Lebensmittelversorgung von wesentlicher Bedeutung.